Das Weimar des Harry Graf Kessler
Das Neue Weimar wollte er schaffen, der Stadt den Glanz zurückgeben, den sie einmal besaß, als Wieland, Goethe, Herder und Schiller hier lebten und mit
Franz Liszt noch einmal ein Silbernes Zeitalter anbrach. Diese großen Zeiten waren lange vorbei, als Harry Graf Kessler (1868 – 1937) im August 1891 zum ersten Mal an die Ilm kam. Er traf auf freudlose Häßlichkeit und eine erschütternde Ärmlichkeit. Aber er fuhr seit 1896 immer wieder hierher und setzte, gemeinsam mit Elisabeth Förster-Nietzsche, der Schwester des Philosophen, und dem belgischen Designer und Architekten Henry van de Velde, alles daran, Weimar aus seiner Erstarrung zu lösen. Kessler, weltkundig und vielseitig begabt, war einer der seltenen Männer, wie jene Zeit sie kannte: Dandy, Ästhet, Kunstsammler, Mäzen, Literat, nach dem Ersten Weltkrieg auch Diplomat und Pazifist. Er hatte Umgang mit Gerhart Hauptmann, Rilke und André Gide, war befreundet mit Hofmannsthal, unterstützte Edvard Munch und Aristide Maillol. 1903 wurde er Direktor des Museums für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar und verwandelte das verzopfte, schläfrige Provinznest für eine kurze Spanne in einen Ort, von dem man redete.
Während die Welt mit Erstaunen wahrnahm, wie Weimar sich zu einer attraktiven Kunstmetropole entwickelte, sorgten die Intrigen am Hof und ein ungehobelter, machtbesessener Großherzog schon 1906 für das Ende aller Hoffnungen. Mit Kesslers erzwungener Kündigung ging der eben erst errungene Ruf schon wieder verloren. Nur die rühmenswerten Aktivitäten des Grafen als Förderer der Buchkunst, als Schöpfer der Cranach-Presse mit ihren bewundernswert schönen Luxusdrucken sicherten der Stadt auch weiterhin die Aufmerksamkeit all jener, die längst in der neuen Zeit angekommen waren.
Text: Klaus Bellin
Photographien: Angelika Fischer
13,5 x 21 cm, 48 Seiten
Fadenheftung, „Englische Broschur“
mit Schutzumschlag, zahlreiche Abbildungen
in getöntem Duoton
978-3-937434-50-6 € 12.00